Samstag, 9. Juli 2011

Der Wald ist für die Menschen da (von Manuel Paul)

Dass der Wald den Menschen nutzt, ist unbestritten, trotzdem erinnert uns die Kampagne des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nachdrücklich und ausschließlich an den Nutzen für den Menschen und folgt so der Logik des Wettbewerbs, wonach nur das Recht auf Bestand hat, was Nutzen hat.




Doch bestehen die beworbenen Nutzen überhaupt noch?

Die Gebrüder Grimm wären ohne den Wald sprachlos und Hänsel und Gretel, Schneewittchen und Rotkäppchen gäbe es nicht, behauptet die Werbung.
Sicher, wir wären um ein paar Geschichten ärmer, aber dient in den Märchen der Gebrüder Grimm der Wald nicht als mysteriöser Ort voller Gefahren und Einsamkeit? Als Versteck für Räuber und Hexen, als ein Ort, an dem man Gefahren überstehen muss und sich verlaufen kann? Der Wald gibt sich in diesen Geschichten also nicht sehr menschenfreundlich und außerdem ist die einzige Imbissbude dort ein Pfefferkuchenhaus.

Auch die anderen Behauptungen der anderen Werbeanzeigen sind irgendwie veraltet und treffen nie den Punkt:
Orang-Utan und Leopard leben doch im Zoo viel besser und lassen sich bei Tiger, Ente & Co. im TV einfacher beobachten. Dass der olle Goethe noch keinen PC hatte und auf Papier schreiben musste, ist auch nicht das Problem unserer Zeit. Seine Werke kann sich heute jeder umsonst auf das Handy, IPad, oder den PC laden. Und überhaupt, braucht man überhaupt Wald, um Papier herzustellen? Beethovens Musikinstrumente kommen längst aus der Retorte und Obelix Wildschwein und das Quellwasser aus dem Supermarkt.

Wie jede Werbung versucht auch diese es sich einfach zu machen, kommt dabei allerdings so altbacken daher wie ein Nassrasierer mit nur einer Klinge. Die Argumente, die hier ausgespielt werden, treffen das junge Zielpublikum nämlich überhaupt nicht. Die Werbung trifft auf junge Menschen, die extrem gut informiert sind und aus einer Gesellschaft des Überflusses stammen. Junge Menschen, die gelernt haben, dass man mit Geld alles haben und erreichen kann. Allerdings fehlt ihnen das Wissen um den Nutzen des Sozialen und der Kunst. Ihnen fehlen Erfahrungen wie Angst in einer kontrollierten Welt. Sie glauben, alles kontrollieren zu können.

Der Wald allerdings ist ein komplexes Lebewesen wie der Mensch und wie der Mensch Teil der Natur. Stirbt der Wald, stirbt der Mensch, verschwinden die Arten, verschwindet der Mensch. Verlieren die Menschen die selbst erlebten Erfahrungen, verlieren sie ihr Leben.

Wird der Wald zu einem Nutzraum für Freizeit, zu einer Beute für die Industrie und zu einem Arbeitgeber, ist es schlecht um ihn bestellt. Dann muss er nämlich der Logik des Menschen folgen und sich zum Zweck des Konsums begradigen, normieren und einzäunen lassen. Doch der Wald lebt! Er hat die Waldkulturerbe-Kampagne wirklich nicht verdient. Und überhaupt braucht der Wald den Menschen nicht.

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